Auch die Ergebnisse der internationalen Studie unter Beteiligung des Exzellenzclusters PMI zeigen einen bislang unbekannten Entstehungsverlauf chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen. © Andrea Danti – Fotolia.com Das Besondere an der Studie ist einerseits ihr Umfang und andererseits die methodische Herangehensweise. Um Anomalien im Genom von Patienten mit Morbus Crohn zu identifizieren, verglich ein internationales Konsortium DNA-Proben von ungefähr 30.000 Menschen mit Morbus Crohn und 80.000 Kontrollpersonen ohne die Krankheit. Ziel war es, Genvarianten zu finden, die Menschen anfällig für entzündliche Darmerkrankungen (CED) machen. Die Untersuchungsmethode war die sogenannte Exom-Sequenzierung. Dabei werden alle genomischen proteinkodierenden Regionen sequenziert. Bisher wurde insbesondere in genomweiten Assoziationsstudien nach Anomalien im Patientengenom gesucht. „In der neuen Studie haben wir genetische Varianten in zehn Genen identifiziert, die die Anfälligkeit für Morbus Crohn erhöhen. Dabei wurden Veränderungen in sechs Genen in Regionen identifiziert, die bisher nicht mit Morbus Crohn assoziiert waren“, erklärt Prof. Andre Franke vom Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), der mit seiner Arbeitsgruppe an der Studie beteiligt war. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „Nature Genetics“ veröffentlicht und liefern neue Ansatzpunkte für die weitere Erforschung der Krankheitsursachen. „Durch die Entdeckung neuer Risikogene hat uns das Team von Professor Franke in der Klinik enorm geholfen. Diese in bisherigen Genomstudien noch nicht beobachteten Gene werden zu neuen Ansätzen für Behandlungsmethoden führen“, sagt PMI-Vertreter Professor Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Campus Kiel und Direktor am Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und UKSH, Campus Kiel.
Mit genetischen Untersuchungen wird nach den Ursachen von Krankheiten gesucht
Morbus Crohn ist eine lebenslimitierende Erkrankung, die durch wiederkehrende, chronische Entzündungen des Magen-Darm-Trakts gekennzeichnet ist. Die Ursachen der Erkrankung sind nicht ausreichend erforscht. Es wird angenommen, dass es durch eine überaktive Immunantwort bei genetisch anfälligen Personen verursacht wird. Es gibt zwar Medikamente, die bei vielen Betroffenen helfen können, die Symptome zu lindern, aber es gibt keine Heilung und schwere Schübe sind häufig. Frühere genomweite Assoziationsstudien (GWAS) haben mehr als 200 Regionen des Genoms identifiziert, die mit Morbus Crohn assoziiert sind. Diese Studien beschränken sich jedoch auf die Suche nach bestimmten, bereits bekannten Varianten. „Außerdem offenbaren diese Studien in der Regel Veränderungen, die nicht in einer proteinkodierenden Region zu finden sind. Das macht es schwieriger, die betroffenen Gene zu identifizieren“, erklärt Co-Autorin Dr. Britt-Sabina Loescher, Postdoc in Frankes Arbeitsgruppe am IKMB. Die groß angelegte Exomsequenzierungsstudie unter der Leitung von Arbeitsgruppen des Broad Institute am Massachusetts Institute of Technology, der Harvard University und des Wellcome Sanger Institute, Cambridge, wurde daher durchgeführt, um GWAS zu ergänzen, biologische Ziele besser zu definieren und seltene Variationen zu identifizieren. VEREINIGTE STAATEN . Die Studie umfasste Proben aus mehr als 35 Zentren weltweit, darunter auch solche aus der IBD-Kohorte des PMI-Cluster of Excellence. Dies führte zu Gesamtproben von ungefähr 30.000 Patienten und 80.000 Kontrollen. Nur mit dieser großen Anzahl von Proben ist es möglich, seltene Varianten zu identifizieren, die die Krankheit antreiben. „Neu entdeckte Risikovarianten für Morbus Crohn verdeutlichen nicht nur die zentrale Rolle der angeborenen und adaptiven Immunzellen und der Autophagie (dem ‚Recycling-Programm‘ der Zelle‘) bei der Krankheitsentstehung, sondern zeigen auch die Rolle mesenchymaler Zellen bei Darmentzündungen auf. Auf diese Weise helfen sie, die genetischen Wurzeln entzündlicher Darmerkrankungen zu erforschen und liefern neue Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Therapien“, betont Co-Autor Professor Stefan Schreiber. Mesenchymale Zellen sind eine Art von Stammzellen, die im Darm vorkommen. Sie spielen eine Rolle bei der Reifung, Migration und Rekrutierung von Immunzellen. Offenbar trägt eine Störung in diesen Zellen zur Auslösung und Aufrechterhaltung einer Darmentzündung bei.
Methoden der Genomanalyse
Next-Generation-Sequencing, kurz NGS, ist eine Technologie zur Hochdurchsatzanalyse von DNA, die in der modernen Gendiagnostik häufig zur Aufklärung von Erbkrankheiten eingesetzt wird. Bei dieser Methode können alle Gene des menschlichen Genoms parallel sequenziert werden, um kleinste Veränderungen wie Mutationen zu erkennen. Für den Test genügt eine Blut- oder Gewebeprobe, aus der DNA gewonnen werden kann. Mit NGS kann das Genom untersucht werden – entweder das gesamte Genom oder beispielsweise nur die proteinkodierende Region (Exom). Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) suchen nach Risikofaktoren für Krankheiten. In solchen Studien suchen die Forscher nach typischen Veränderungen im gesamten Erbgut und prüfen, ob diese Veränderungen bei Menschen mit bestimmten Krankheiten häufiger auftreten. Dazu werden mehrere hunderttausend bis mehrere Millionen Positionen des Genoms mit sogenannten Biochips (SNP-Arrays) analysiert. Dabei werden nur bestimmte Stellen im Genom gesucht, die als variabel bekannt sind. Veränderte Genregionen müssen nicht zwangsläufig mit der Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang stehen. Sie sind jedoch mit der Krankheit assoziiert, das heißt, sie stehen mit ihr in bekannter oder unbekannter Weise in Zusammenhang. ____________ (Frederike Buhse, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster Precision Medicine for Chronic Inflammatory Diseases) ____________Quellen: idw-online.de, Exzellenzcluster Precision Medicine for Chronic Inflammatory Diseases, Nature Genetics